Kant, Critique of Judgment (original German)

Preface and Introduction ...

Analytic of the Beautiful ...

Analytic of the Sublime ...

Deduction (§§30-42) ...

Deduction (§§43-54) ...


Zweiter Abschnitt. Die Dialektik der ästhetischen Urteilskraft

§55

Eine Urteilskraft, die dialektisch sein soll, muß zuvörderst vernünftelnd sein ; d. i. die Urteile derselben müssen auf Allgemeinheit, und zwar a priori, Anspruch machen* : denn in solcher Urteile Entgegensetzung besteht die Dialektik. Daher ist die Unvereinbarkeit ästhetischer Sinnesurteile (über das Angenehme und Unangenehme) nicht dialektisch. Auch der Widerstreit der Geschmacksurteile, sofern sich ein jeder bloß auf seinen eignen Geschmack beruft, macht keine Dialektik des Geschmacks aus : weil niemand sein Urteil zur allgemeinen Regel zu machen gedenkt. Es bleibt also kein Begriff von einer Dialektik übrig, welche den Geschmack angehen könnte, als der einer Dialektik der Kritik des Geschmacks (nicht des Geschmacks selbst) in Ansehung ihrer Prinzipien : da nämlich über den Grund der Möglichkeit der Geschmacksurteile überhaupt einander widerstreitende Begriffe natürlicher und unvermeidlicher Weise auftreten. Transzendentale Kritik des Geschmacks wird also nur sofern einen Teil enthalten, der den Namen einer Dialektik der ästhetischen Urteilskraft führen kann, wenn sich eine Antinomie der Prinzipien dieses Vermögens findet, welche die Gesetzmäßigkeit desselben, mithin auch seine innere Möglichkeit, zweifelhaft macht.

* Ein vernünftelndes Urteil (iudicium ratiocinans) kann ein jedes heißen, das sich als allgemein ankündigt ; denn sofern kann es zum Obersatze in einem Vernunftschlusse dienen. Ein Vernunfturteil (iudicium ratiocinatum) kann dagegen nur ein solches genannt werden, welches, als der Schlußsatz von einem Vernunftschlusse, folglich als a priori gegründet, gedacht wird.

§56. Vorstellung der Antinomie des Geschmacks

Der erste Gemeinort des Geschmacks ist in dem Satze, womit sich jeder Geschmacklose gegen Tadel zu verwahren denkt, enthalten : ein jeder hat seinen eignen Geschmack. Das heißt soviel, als der Bestimmungsgrund dieses Urteils ist bloß subjektiv (Vergnügen oder Schmerz) ; und das Urteil hat kein Recht auf die notwendige Beistimmung anderer.

Der zweite Gemeinort desselben, der auch von denen sogar gebraucht wird, die dem Geschmacksurteile das Recht einräumen, für jedermann gültig auszusprechen, ist : über den Geschmack läßt sich nicht disputieren. Das heißt soviel, als : der Bestimmungsgrund eines Geschmacksurteils mag zwar auch objektiv sein, aber er läßt sich nicht auf bestimmte Begriffe bringen ; mithin kann über das Urteil selbst durch Beweise nichts entschieden werden, obgleich darüber gar wohl und mit Recht gestritten werden kann. Denn Streiten und Disputieren sind zwar darin einerlei, daß sie durch wechselseitigen Widerstand der Urteile Einhelligkeit derselben hervorzubringen suchen, darin aber verschieden, daß das letztere dieses nach bestimmten Begriffen als Beweisgründen zu bewirken hofft, mithin objektive Begriffe als Gründe des Urteils annimmt. Wo dieses aber als untunlich betrachtet wird, da wird das Disputieren ebensowohl als untunlich beurteilt.

Man sieht leicht, daß zwischen diesen zweien Gemeinörtern ein Satz fehlt, der zwar nicht sprichwörtlich im Umlaufe, aber doch in jedermanns Sinne enthalten ist, nämlich : über den Geschmack läßt sich streiten (obgleich nicht disputieren). Dieser Satz aber enthält das Gegenteil des obersten Satzes. Denn worüber es erlaubt sein soll zu streiten, da muß Hoffnung sein untereinander übereinzukommen ; mithin muß man auf Gründe des Urteils, die nicht bloß Privatgültigkeit haben und also nicht bloß subjektiv sind, rechnen können ; welchem gleichwohl jener Grundsatz : ein jeder hat seinen eignen Geschmack, gerade entgegen ist.

Es zeigt sich also in Ansehung des Prinzips des Geschmacks folgende Antinomie :

1) Thesis. Das Geschmacksurteil gründet sich nicht auf Begriffen ; denn sonst ließe sich darüber disputieren (durch Beweise entscheiden).

2) Antithesis. Das Geschmacksurteil gründet sich auf Begriffen ; denn sonst ließe sich, ungeachtet der Verschiedenheit desselben, darüber auch nicht einmal streiten (auf die notwendige Einstimmung anderer mit diesem Urteile Anspruch machen).

§57. Auflösung der Antinomie des Geschmacks

Es ist keine Möglichkeit, den Widerstreit jener jedem Geschmacksurteil unterlegten Prinzipien (welche nichts anders sind, als die oben in der Analytik vorgestellten zwei Eigentümlichkeiten des Geschmacksurteils) zu heben, als daß man zeigt : der Begriff, worauf man das Objekt in dieser Art Urteile bezieht, werde in beiden Maximen der ästhetischen Urteilskraft nicht in einerlei Sinn genommen ; dieser zwiefache Sinn, oder Gesichtspunkt, der Beurteilung sei unserer transzendentalen Urteilskraft notwendig ; aber auch der Schein, in der Vermengung des einen mit dem andern, als natürliche Illusion, unvermeidlich.

Auf irgendeinen Begriff muß sich das Geschmacksurteil beziehen ; denn sonst könnte es schlechterdings nicht auf notwendige Gültigkeit für jedermann Anspruch machen. Aber aus einem Begriffe darf es darum eben nicht erweislich sein, weil ein Begriff entweder bestimmbar, oder auch an sich unbestimmt und zugleich unbestimmbar, sein kann. Von der erstern Art ist der Verstandesbegriff, der durch Prädikate der sinnlichen Anschauung, die ihm korrespondieren kann, bestimmbar ist ; von der zweiten aber der transzendentale Vernunftbegriff von dem übersinnlichen, was aller jener Anschauung zum Grunde liegt, der also weiter nicht theoretisch bestimmte werden kann.

Nun geht das Geschmacksurteil auf Gegenstände der Sinne, aber nicht um einen Begriff derselben für den Verstand zu bestimmen ; denn es ist kein Erkenntnisurteil. Es ist daher, als auf das Gefühl der Lust bezogene anschauliche einzelne Vorstellung, nur ein Privaturteil : und sofern würde es seiner Gültigkeit nach auf das urteilende Individuum allein beschränkt sein : der Gegenstand ist für mich ein Gegenstand des Wohlgefallens, für andre mag es sich anders verhalten ; - ein jeder hat seinen Geschmack.

Gleichwohl ist ohne Zweifel im Geschmacksurteile eine erweiterte Beziehung der Vorstellung des Objekts (zugleich auch des Subjekts) enthalten, worauf wir eine Ausdehnung dieser Art Urteile, als notwendig für jedermann, gründen : welcher daher notwendig irgendein Begriff zum Grunde liegen muß ; aber ein Begriff, der sich gar nicht durch Anschauung bestimmen, durch den sich nichts erkennen, mithin auch kein Beweis für das Geschmacksurteil führen läßt. Ein dergleichen Begriff aber ist der bloße reine Vernunftbegriff von dem übersinnlichen, was dem Gegenstande (und auch dem urteilenden Subjekte) als Sinnenobjekte, mithin als Erscheinung, zum Grunde liegt. Denn nähme man eine solche Rücksicht nicht an, so wäre der Anspruch des Geschmacksurteils auf allgemeine Gültigkeit nicht zu retten ; wäre der Begriff, worauf es sich gründet, ein nur bloß verworrener Verstandesbegriff, etwa von Vollkommenheit, dem man korrespondierend die sinnliche Anschauung des Schönen beigeben könnte : so würde es wenigstens an sich möglich sein, das Geschmacksurteil auf Beweise zu gründen, welches der Thesis widerspricht.

Nun fällt aber aller Widerspruch weg, wenn ich sage : das Geschmacksurteil gründet sich auf einem Begriffe (eines Grundes überhaupt von der subjektiven Zweckmäßigkeit der Natur für die Urteilskraft), aus dem aber nichts in Ansehung des Objekts erkannt und bewiesen werden kann, weil er an sich unbestimmbar und zum Erkenntnis untauglich ist ; es bekommt aber durch eben denselben doch zugleich Gültigkeit für jedermann (bei jedem zwar als einzelnes, die Anschauung unmittelbar begleitendes, Urteil) : weil der Bestimmungsgrund desselben vielleicht im Begriffe von demjenigen liegt, was als das übersinnliche Substrat der Menschheit angesehen werden kann.

Es kommt bei der Auflösung einer Antinomie nur auf die Möglichkeit an, daß zwei einander dem Scheine nach widerstreitende Sätze einander in der Tat nicht widersprechen, sondern nebeneinander bestehen können, wenngleich die Erklärung der Möglichkeit ihres Begriffs unser Erkenntnisvermögen übersteigt. Daß dieser Schein auch natürlich und der menschlichen Vernunft unvermeidlich sei, imgleichen warum er es sei und bleibe, ob er gleich nach der Auflösung des Scheinwiderspruchs nicht betrügt, kann hieraus auch begreiflich gemacht werden.

Wir nehmen nämlich den Begriff, worauf die Allgemeingültigkeit eines Urteils sich gründen muß, in beiden widerstreitenden Urteilen in einerlei Bedeutung, und sagen doch von ihm zwei entgegengesetzte Prädikate aus. In der Thesis sollte es daher heißen : Das Geschmacksurteil gründet sich nicht auf bestimmten Begriffen ; in der Antithesis aber : Das Geschmacksurteil gründet sich doch auf einem, obzwar unbestimmten, Begriffe (nämlich vom übersinnlichen Substrat der Erscheinungen) ; und alsdann wäre zwischen ihnen kein Widerstreit.

Mehr, als diesen Widerstreit in den Ansprüchen und Gegenansprüchen des Geschmacks zu heben, können wir nicht leisten. Ein bestimmtes objektives Prinzip des Geschmacks, wornach die Urteile desselben geleitet, geprüft und bewiesen werden könnten, zu geben, ist schlechterdings unmöglich ; denn es wäre alsdann kein Geschmacksurteil. Das subjektive Prinzip, nämlich die unbestimmte Idee des übersinnlichen in uns, kann nur als der einzige Schlüssel der Enträtselung dieses uns selbst seinen Quellen nach verborgenen Vermögens angezeigt, aber durch nichts weiter begreiflich gemacht werden.

Der hier aufgestellten und ausgeglichenen Antinomie liegt der richtige Begriff des Geschmacks, nämlich als einer bloß reflektierenden ästhetischen Urteilskraft, zum Grunde ; und da wurden beide dem Scheine nach widerstreitende Grundsätze miteinander vereinigt, indem beide wahr sein können, welches auch genug ist. Würde dagegen zum Bestimmungsgrunde des Geschmacks (wegen der Einzelnheit der Vorstellung, die dem Geschmacksurteil zum Grunde liegt), wie von einigen geschieht, die Annehmlichkeit, oder, wie andere (wegen der Allgemeingültigkeit desselben) wollen, das Prinzip der Vollkommenheit angenommen, und die Definition des Geschmacks darnach eingerichtet ; so entspringt daraus eine Antinomie, die schlechterdings nicht auszugleichen ist, als so, daß man zeigt, daß beide einander (aber nicht bloß kontradiktorisch) entgegenstehende Sätze falsch sind : welches dann beweiset, daß der Begriff, worauf ein jeder gegründet ist, sich selbst widerspreche. Man sieht also, daß die Hebung der Antinomie der ästhetischen Urteilskraft einen ähnlichen Gang nehme mit dem, welchen die Kritik in Auflösung der Antinomien der reinen theoretischen Vernunft befolgte ; und daß, ebenso hier und auch in der Kritik der praktischen Vernunft, die Antinomien wider Willen nötigen, über das Sinnliche hinaus zu sehen, und im übersinnlichen den Vereinigungspunkt aller unserer Vermögen a priori zu suchen : weil kein anderer Ausweg übrigbleibt, die Vernunft mit sich selbst einstimmig zu machen.

Anmerkung I

Da wir in der Transzendental-Philosophie so oft Veranlassung finden, Ideen von Verstandesbegriffen zu unterscheiden, so kann es von Nutzen sein, ihrem Unterschiede angemessene Kunstausdrücke einzuführen. Ich glaube, man werde nichts dawider haben, wenn ich einige in Vorschlag bringe. - Ideen in der allgemeinsten Bedeutung sind nach einem gewissen (subjektiven oder objektiven) Prinzip, auf einen Gegenstand bezogene Vorstellungen, sofern sie doch nie eine Erkenntnis desselben werden können. Sie sind entweder nach einem bloß subjektiven Prinzip der übereinstimmung der Erkenntnisvermögen untereinander (der Einbildungskraft und des Verstandes) auf eine Anschauung bezogen : und heißen alsdann ästhetische ; oder nach einem objektiven Prinzip auf einen Begriff bezogen, können aber doch nie eine Erkenntnis des Gegenstandes abgeben : und heißen Vernunftideen ; in welchem Falle der Begriff ein transzendenter Begriff ist, welcher vom Verstandesbegriffe, dem jederzeit eine adäquat korrespondierende Erfahrung untergelegt werden kann, und der darum immanent heißt, unterschieden ist.

Eine ästhetische Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine Anschauung (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine Vernunftidee kann nie Erkenntnis werden, weil sie einen Begriff (vom übersinnlichen) enthält, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann.

Nun glaube ich, man könne die ästhetische Idee eine inexponible Vorstellung der Einbildungskraft, die Vernunftidee aber einen indemonstrabeln Begriff der Vernunft nennen. Von beiden wird vorausgesetzt, daß sie nicht etwa gar grundlos, sondern (nach der obigen Erklärung einer Idee überhaupt) gewissen Prinzipien der Erkenntnisvermögen, wozu sie gehören (jene den subjektiven, diese objektiven Prinzipien), gemäß erzeugt seien.

Verstandesbegriffe müssen, als solche, jederzeit demonstrabel sein (wenn unter demonstrieren, wie in der Anatomie, bloß das Darstellen verstanden wird) ; d. i. der ihnen korrespondierende Gegenstand muß jederzeit in der Anschauung (reinen oder empirischen) gegeben werden können : denn dadurch allein können sie Erkenntnisse werden. Der Begriff der Größe kann in der Raumesanschauung a priori, z. B. einer geraden Linie usw., gegeben werden ; der Begriff der Ursache an der Undurchdringlichkeit, dem Stoße der Körper, usw. Mithin können beide durch eine empirische Anschauung belegt, d. i. der Gedanke davon an einem Beispiele gewiesen (demonstriert, aufgezeigt) werden ; und dieses muß geschehen können : widrigenfalls man nicht gewiß ist, ob der Gedanke nicht leer, d. i. ohne alles Objekt sei.

Man bedient sich in der Logik der Ausdrücke des Demonstrabeln oder Indemonstrabeln gemeiniglich nur in Ansehung der Sätze : da die ersteren besser durch die Benennung der nur mittelbar, die zweiten der unmittelbar-gewissen Sätze könnten bezeichnet werden : denn die reine Philosophie hat auch Sätze von beiden Arten, wenn darunter beweisfähige und beweisunfähige wahre Sätze verstanden werden. Allein aus Gründen a priori kann sie, als Philosophie, zwar beweisen, aber nicht demonstrieren ; wenn man nicht ganz und gar von der Wortbedeutung abgehen will, nach welcher demonstrieren (ostendere, exhibere) soviel heißt, als (es sei im Beweisen oder auch bloß im Definieren) seinen Begriff zugleich in der Anschauung darstellen : welche, wenn sie Anschauung a priori ist, das Konstruieren desselben heißt, wenn sie aber auch empirisch ist, gleichwohl die Vorzeigung des Objekts bleibt, durch welche dem Begriffe die objektive Realität gesichert wird. So sagt man von einem Anatomiker : er demonstriere das menschliche Auge, wenn er den Begriff, den er vorher diskursiv vorgetragen hat, vermittelst der Zergliederung dieses Organs anschaulich macht.

Diesem zufolge ist der Vernunftbegriff vom übersinnlichen Substrat aller Erscheinungen überhaupt, oder auch von dem, was unserer Willkür in Beziehung auf moralische Gesetze zum Grunde gelegt werden muß, nämlich von der transzendentalen Freiheit, schon der Spezies nach ein indemonstrabler Begriff und Vernunftidee, Tugend aber ist dies dem Grade nach : weil dem ersteren an sich gar nichts der Qualität nach in der Erfahrung Korrespondierendes gegeben werden kann, in der zweiten aber kein Erfahrungsprodukt jener Kausalität den Grad erreicht, den die Vernunftidee zur Regel vorschreibt.

So wie an einer Vernunftidee die Einbildungskraft, mit ihren Anschauungen, den gegebenen Begriff nicht erreicht ; so erreicht bei einer ästhetischen Idee der Verstand, durch seine Begriffe, nie die ganze innere Anschauung der Einbildungskraft, welche sie mit einer gegebenen Vorstellung verbindet. Da nun eine Vorstellung der Einbildungskraft auf Begriffe bringen so viel heißt, als sie exponieren : so kann die ästhetische Idee eine inexponible Vorstellung derselben (in ihrem freien Spiele) genannt werden. Ich werde von dieser Art Ideen in der Folge noch einiges auszuführen Gelegenheit haben ; jetzt bemerke ich nur : daß beide Arten von Ideen, die Vernunftideen sowohl als die ästhetischen, ihre Prinzipien haben müssen ; und zwar beide in der Vernunft, jene in den objektiven, diese in den subjektiven Prinzipien ihres Gebrauchs.

Man kann diesem zufolge Genie auch durch das Vermögen ästhetischer Ideen erklären : wodurch zugleich der Grund angezeigt wird, warum in Produkten des Genies die Natur (des Subjekts), nicht ein überlegter Zweck, der Kunst (der Hervorbringung des Schönen) die Regel gibt. Denn da das Schöne nicht nach Begriffen beurteilt werden muß, sondern nach der zweckmäßigen Stimmung der Einbildungskraft zur übereinstimmung mit dem Vermögen der Begriffe überhaupt ; so kann nicht Regel und Vorschrift, sondern nur das, was bloß Natur im Subjekte ist, aber nicht unter Regeln oder Begriffe gefaßt werden kann, d. i. das übersinnliche Substrat aller seiner Vermögen (welches kein Verstandesbegriff erreicht), folglich das, auf welches in Beziehung alle unsere Erkenntnisvermögen zusammenstimmend zu machen, der letzte durch das Intelligible unserer Natur gegebene Zweck ist, jener ästhetischen aber unbedingten Zweckmäßigkeit in der schönen Kunst, die jedermann gefallen zu müssen rechtmäßigen Anspruch machen soll, zum subjektiven Richtmaße dienen. So ist es auch allein möglich, daß dieser, der man kein objektives Prinzip vorschreiben kann, ein subjektives und doch allgemeingültiges Prinzip a priori zum Grunde liege.

Anmerkung II

Folgende wichtige Bemerkung bietet sich hier von selbst dar : daß es nämlich dreierlei Arten der Antinomie der reinen Vernunft gebe, die aber alle darin übereinkommen, daß sie dieselbe zwingen, von der sonst sehr natürlichen Voraussetzung, die Gegenstände der Sinne für die Dinge an sich selbst zu halten, abzugehen, sie vielmehr bloß für Erscheinungen gelten zu lassen, und ihnen ein intelligibles Substrat (etwas übersinnliches, wovon der Begriff nur Idee ist und keine eigentliche Erkenntnis zuläßt) unterzulegen. Ohne eine solche Antinomie würde die Vernunft sich niemals zu Annehmung eines solchen das Feld ihrer Spekulation so sehr verengenden Prinzips, und zu Aufopferungen, wobei so viele sonst sehr schimmernde Hoffnungen gänzlich verschwinden müssen, entschließen können ; denn selbst jetzt, da sich ihr zur Vergütung dieser Einbuße ein um desto größerer Gebrauch in praktischer Rücksicht eröffnet, scheint sie sich nicht ohne Schmerz von jenen Hoffnungen trennen und von der alten Anhänglichkeit losmachen zu können.

Daß es drei Arten der Antinomie gibt, hat seinen Grund darin, daß es drei Erkenntnisvermögen : Verstand, Urteilskraft und Vernunft gibt, deren jedes (als oberes Erkenntnisvermögen) seine Prinzipien a priori haben muß ; da denn die Vernunft, sofern sie über diese Prinzipien selbst und ihren Gebrauch urteilt, in Ansehung ihrer aller zu dem gegebenen Bedingten unnachlaßlich das Unbedingte fordert, welches sich doch nie finden läßt, wenn man das Sinnliche, als zu den Dingen an sich selbst gehörig betrachtet, und ihm nicht vielmehr, als bloßer Erscheinung, etwas übersinnliches (das intelligible Substrat der Natur außer uns und in uns) als Sache an sich selbst unterlegt. Da gibt es dann 1) eine Antinomie der Vernunft in Ansehung des theoretischen Gebrauchs des Verstandes bis zum Unbedingten hinauf für das Erkenntnisvermögen ; 2) eine Antinomie der Vernunft in Ansehung des ästhetischen Gebrauchs der Urteilskraft für das Gefühl der Lust und Unlust ; 3) eine Antinomie in Ansehung des praktischen Gebrauchs der an sich selbst gesetzgebenden Vernunft für das Begehrungsvermögen : sofern alle diese Vermögen ihre obere Prinzipien a priori haben, und, gemäß einer unumgänglichen Forderung der Vernunft, nach diesen Prinzipien auch unbedingt müssen urteilen und ihr Objekt bestimmen können.

In Ansehung zweier Antinomien, der des theoretischen und der des praktischen Gebrauchs, jener obern Erkenntnisvermögen haben wir die Unvermeidlichkeit derselben, wenn dergleichen Urteile nicht auf ein übersinnliches Substrat der gegebenen Objekte, als Erscheinungen, zurücksehen, dagegen aber auch die Auflöslichkeit derselben, sobald das letztere geschieht, schon anderwärts gezeigt. Was nun die Antinomie im Gebrauch der Urteilskraft, gemäß der Forderung der Vernunft und deren hier gegebene Auflösung betrifft : so gibt es kein anderes Mittel, derselben auszuweichen, als entweder zu leugnen, daß dem ästhetischen Geschmacksurteile irgendein Prinzip a priori zum Grunde liege, so daß aller Anspruch auf Notwendigkeit allgemeiner Beistimmung grundloser leerer Wahn sei, und ein Geschmacksurteil nur sofern für richtig gehalten zu werden verdiene, weil es sich trifft, daß viele in Ansehung desselben übereinkommen, und auch dieses eigentlich nicht um deswillen, weil man hinter dieser Einstimmung ein Prinzip a priori vermutet, sondern (wie im Gaumengeschmack), weil die Subjekte zufälligerweise gleichförmig organisiert seien ; oder man müßte annehmen, daß das Geschmacksurteil eigentlich ein verstecktes Vernunfturteil über die an einem Dinge und die Beziehung des Mannigfaltigen in ihm zu einem Zwecke entdeckte Vollkommenheit sei, mithin nur um der Verworrenheit willen, die dieser unserer Reflexion anhängt, ästhetisch genannt werde, ob es gleich im Grunde teleologisch sei : in welchem Falle man die Auflösung der Antinomie durch transzendentale Ideen für unnötig und nichtig erklären, und so mit den Objekten der Sinne nicht als bloßen Erscheinungen, sondern auch als Dingen an sich selbst, jene Geschmacksgesetze vereinigen könnte. Wie wenig aber die eine sowohl als die andere Ausflucht verschlage, ist an mehrern Orten in der Exposition der Geschmacksurteile gezeigt worden.

Räumt man aber unserer Deduktion wenigstens so viel ein, daß sie auf dem rechten Wege geschehe, wenn gleich noch nicht in allen Stücken hell genug gemacht sei, so zeigen sich drei Ideen : erstlich des übersinnlichen überhaupt, ohne weitere Bestimmung, als Substrats der Natur ; zweitens ebendesselben, als Prinzips der subjektiven Zweckmäßigkeit der Natur für unser Erkenntnisvermögen ; drittens ebendesselben, als Prinzips der Zwecke der Freiheit und Prinzips der übereinstimmung derselben mit jener im Sittlichen.

§58. Vom Idealismus der Zweckmäßigkeit der Natur sowohl als Kunst, als dem alleinigen Prinzip der ästhetischen Urteilskraft

Man kann zuvörderst das Prinzip des Geschmacks entweder darin setzen, daß dieser jederzeit nach empirischen Bestimmungsgründen, und also nach solchen, die nur a posteriori durch Sinne gegeben werden, oder man kann einräumen, daß er aus einem Grunde a priori urteile. Das erstere wäre der Empirism der Kritik des Geschmacks, das zweite der Rationalism derselben. Nach dem ersten wäre das Objekt unseres Wohlgefallens nicht vom Angenehmen, nach dem zweiten, wenn das Urteil auf bestimmten Begriffen beruhete, nicht vom Guten unterschieden ; und so würde alle Schönheit aus der Welt weggeleugnet, und nur ein besonderer Name, vielleicht für eine gewisse Mischung von beiden vorgenannten Arten des Wohlgefallens, an dessen Statt übrigbleiben. Allein wir haben gezeigt, daß es auch Gründe des Wohlgefallens a priori gebe, die also mit dem Prinzip des Rationalisms zusammen bestehen können, ungeachtet sie nicht in bestimmte Begriffe gefaßt werden können.

Der Rationalism des Prinzips des Geschmacks ist dagegen entweder der des Realisms der Zweckmäßigkeit, oder des Idealisms derselben. Weil nun ein Geschmacksurteil kein Erkenntnisurteil, und Schönheit keine Beschaffenheit des Objekts, für sich betrachtet, ist ; so kann der Rationalism des Prinzips des Geschmacks niemals darin gesetzt werden, daß die Zweckmäßigkeit in diesem Urteile als objektiv gedacht werde, d. i. daß das Urteil theoretisch, mithin auch logisch (wenngleich nur in einer verworrenen Beurteilung), auf die Vollkommenheit des Objekts, sondern nur ästhetisch, auf die übereinstimmung seiner Vorstellung in der Einbildungskraft mit den wesentlichen Prinzipien der Urteilskraft überhaupt, im Subjekte gehe. Folglich kann, selbst nach dem Prinzip des Rationalisms das Geschmacksurteil und der Unterschied des Realisms und Idealisms desselben nur darin gesetzt werden, daß entweder jene subjektive Zweckmäßigkeit im erstern Falle als wirklicher (absichtlicher) Zweck der Natur (oder der Kunst) mit unserer Urteilskraft übereinzustimmen, oder im zweiten Falle nur als eine, ohne Zweck, von selbst und zufälligerweise sich hervortuende zweckmäßige übereinstimmung zu dem Bedürfnis der Urteilskraft, in Ansehung der Natur und ihrer nach besondern Gesetzen erzeugten Formen, angenommen werde.

Dem Realism der ästhetischen Zweckmäßigkeit der Natur, da man nämlich annehmen möchte : daß der Hervorbringung des Schönen eine Idee desselben in der hervorbringenden Ursache, nämlich ein Zweck zu Gunsten unserer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen habe, reden die schönen Bildungen im Reiche der organisierten Natur gar sehr das Wort. Die Blumen, Blüten, ja die Gestalten ganzer Gewächse, die für ihren eigenen Gebrauch unnötige, aber für unsern Geschmack gleichsam ausgewählte Zierlichkeit der tierischen Bildungen von allerlei Gattungen ; vornehmlich die unsern Augen so wohlgefällige und reizende Mannigfaltigkeit und harmonische Zusammensetzung der Farben (am Fasan, an Schaltieren, Insekten, bis zu den gemeinsten Blumen), die, indem sie bloß die Oberfläche, und auch an dieser nicht einmal die Figur der Geschöpfe, welche doch noch zu den innern Zwecken derselben erforderlich sein könnte, betreffen, gänzlich auf äußere Beschauung abgezweckt zu sein scheinen : geben der Erklärungsart durch Annehmung wirklicher Zwecke der Natur für unsere ästhetische Urteilskraft ein großes Gewicht.

Dagegen widersetzt sich dieser Annahme nicht allein die Vernunft durch ihre Maximen, allerwärts die unnötige Vervielfältigung der Prinzipien nach aller Möglichkeit zu verhüten ; sondern die Natur zeigt in ihren freien Bildungen überall so viel mechanischen Hang zu Erzeugung von Formen, die für den ästhetischen Gebrauch unserer Urteilskraft gleichsam gemacht zu sein scheinen, ohne den geringsten Grund zur Vermutung an die Hand zu geben, daß es dazu noch etwas mehr, als ihres Mechanisms, bloß als Natur, bedürfe, wornach sie, auch ohne alle ihnen zum Grunde liegende Idee, für unsere Beurteilung zweckmäßig sein können. Ich verstehe aber unter einer freien Bildung der Natur diejenige, wodurch aus einem Flüssigen in Ruhe, durch Verflüchtigung oder Absonderung eines Teils desselben (bisweilen bloß der Wärmmaterie) das übrige bei dem Festwerden eine bestimmte Gestalt, oder Gewebe (Figur oder Textur), annimmt, die, nach der spezifischen Verschiedenheit der Materien, verschieden, in ebenderselben aber genau dieselbe ist. Hiezu aber wird, was man unter einer wahren Flüßigkeit jederzeit versteht, nämlich daß die Materie in ihr völlig aufgelöset, d. i. nicht als ein bloßes Gemenge fester und darin bloß schwebender Teile anzusehen sei, vorausgesetzt.

Die Bildung geschieht alsdann durch Anschießen, d. i. durch ein plötzliches Festwerden, nicht durch einen allmählichen übergang aus dem flüssigen in den festen Zustand, sondern gleichsam durch einen Sprung, welcher übergang auch das Kristallisieren genannt wird. Das gemeinste Beispiel von dieser Art Bildung ist das gefrierende Wasser, in welchem sich zuerst gerade Eisstrählchen erzeugen, die in Winkeln von 60 Grad sich zusammenfügen, indes sich andere an jedem Punkt derselben ebenso ansetzen, bis alles zu Eis geworden ist : so daß während dieser Zeit, das Wasser zwischen den Eisstrählchen nicht allmählich zäher wird, sondern so vollkommen flüssig ist, als es bei weit größerer Wärme sein würde, und doch die völlige Eiskälte hat. Die sich absondernde Materie, die im Augenblicke des Festwerdens plötzlich entwischt, ist ein ansehnliches Quantum von Wärmestoff, dessen Abgang, da es bloß zum Flüssigsein erfordert ward, dieses nunmehrige Eis nicht im mindesten kälter, als das kurz vorher in ihm flüssige Wasser zurückläßt.

Viele Salze, imgleichen Steine, die eine kristallinische Figur haben, werden ebenso von einer im Wasser, wer weiß durch was für Vermittelung, aufgelöseten Erdart erzeugt. Ebenso bilden sich die drusichten Konfigurationen vieler Mineralien, des würflichten Bleiglanzes, des Rotgüldenerzes u. dgl., allem Vermuten nach auch im Wasser, und durch Anschießen der Teile : indem sie durch irgendeine Ursache genötigt werden, dieses Vehikel zu verlassen, und sich untereinander in bestimmte äußere Gestalten zu vereinigen.

Aber auch innerlich zeigen alle Materien, welche bloß durch Hitze flüssig waren und durch Erkalten Festigkeit angenommen haben, im Bruche eine bestimmte Textur, und lassen daraus urteilen, daß, wenn nicht ihr eigenes Gewicht oder die Luftberührung es gehindert hätte, sie auch äußerlich ihre spezifisch eigentümliche Gestalt würden gewiesen haben : dergleichen man an einigen Metallen, die nach der Schmelzung äußerlich erhärtet, inwendig aber noch flüssig waren, durch Abzapfen des innern noch flüssigen Teils und nunmehriges ruhiges Anschießen des übrigen inwendig zurückgebliebenen, beobachtet hat. Viele von jenen mineralischen Kristallisationen, als die Spatdrusen, der Glaskopf, die Eisenblüte, geben oft überaus schöne Gestalten, wie sie die Kunst nur immer ausdenken möchte ; und die Glorie in der Höhle von Antiparos ist bloß das Produkt eines sich durch Gipslager durchsickernden Wassers.

Das Flüssige ist, allem Ansehen nach, überhaupt älter als das Feste, und sowohl die Pflanzen als tierische Körper werden aus flüssiger Nahrungsmaterie gebildet, sofern sie sich in Ruhe formt : freilich zwar in der letztern zuvörderst nach einer gewissen ursprünglichen auf Zwecke gerichteten Anlage (die, wie im zweiten Teile gewiesen werden wird, nicht ästhetisch, sondern teleologisch, nach dem Prinzip des Realisms beurteilt werden muß) ; aber nebenbei doch auch vielleicht als, dem allgemeinen Gesetze der Verwandtschaft der Materien gemäß, anschießend und sich in Freiheit bildend. So wie nun die in einer Atmosphäre, welche ein Gemisch verschiedener Luftarten ist, aufgelöseten wäßrigen Flüssigkeiten, wenn sich die letzteren, durch Abgang der Wärme von jener scheidend, Schneefiguren erzeugen, die nach Verschiedenheit der dermaligen Luftmischung von oft sehr künstlich scheinender und überaus schöner Figur sind ; so läßt sich, ohne dem teleologischen Prinzip der Beurteilung der Organisation etwas zu entziehen, wohl denken : daß, was die Schönheit der Blumen, der Vogelfedern, der Muscheln, ihrer Gestalt sowohl als Farbe nach, betrifft, diese der Natur und ihrem Vermögen, sich in ihrer Freiheit ohne besondere darauf gerichtete Zwecke, nach chemischen Gesetzen, durch Absetzung der zur Organisation erforderlichen Materie, auch ästhetisch-zweckmäßig zu bilden, zugeschrieben werden könne.

Was aber das Prinzip der Idealität der Zweckmäßigkeit im Schönen der Natur, als dasjenige, welches wir im ästhetischen Urteile selbst jederzeit zum Grunde legen, und welches uns keinen Realism eines Zwecks derselben für unsere Vorstellungskraft zum Erklärungsgrunde zu brauchen erlaubt, geradezu beweiset : ist, daß wir in der Beurteilung der Schönheit überhaupt das Richtmaß derselben a priori in uns selbst suchen, und die ästhetische Urteilskraft in Ansehung des Urteils, ob etwas schön sei oder nicht, selbst gesetzgebend ist, welches bei Annehmung des Realisms der Zweckmäßigkeit der Natur nicht stattfinden kann ; weil wir da von der Natur lernen müßten, was wir schön zu finden hätten, und das Geschmacksurteil empirischen Prinzipien unterworfen sein würde. Denn in einer solchen Beurteilung kommt es nicht darauf an, was die Natur ist, oder auch für uns als Zweck ist, sondern wie wir sie aufnehmen. Es würde immer eine objektive Zweckmäßigkeit der Natur sein, wenn sie für unser Wohlgefallen ihre Formen gebildet hätte ; und nicht eine subjektive Zweckmäßigkeit, welche auf dem Spiele der Einbildungskraft in ihrer Freiheit beruhete, wo es Gunst ist, womit wir die Natur aufnehmen, nicht Gunst, die sie uns erzeigt. Die Eigenschaft der Natur, daß sie für uns Gelegenheit enthält, die innere Zweckmäßigkeit in dem Verhältnisse unserer Gemütskräfte in Beurteilung gewisser Produkte derselben wahrzunehmen, und zwar als eine solche, die aus einem übersinnlichen Grunde für notwendig und allgemeingültig erklärt werden soll, kann nicht Naturzweck sein, oder vielmehr von uns als ein solcher beurteilt werden : weil sonst das Urteil, das dadurch bestimmt würde, Heteronomie, aber nicht, wie es einem Geschmacksurteile geziemt, frei sein, und Autonomie zum Grunde haben würde.

In der schönen Kunst ist das Prinzip des Idealisms der Zweckmäßigkeit noch deutlicher zu erkennen. Denn, daß hier nicht ein ästhetischer Realism derselben, durch Empfindungen (wobei sie statt schöner bloß angenehme Kunst sein würde), angenommen werden könne : das hat sie mit der schönen Natur gemein. Allein daß das Wohlgefallen durch ästhetische Ideen nicht von der Erreichung bestimmter Zwecke (als mechanisch absichtliche Kunst) abhängen müsse, folglich, selbst im Rationalism des Prinzips, Idealität der Zwecke, nicht Realität derselben, zum Grunde liege : leuchtet auch schon dadurch ein, daß schöne Kunst, als solche, nicht als ein Produkt des Verstandes und der Wissenschaft, sondern des Genies betrachtet werden muß und also durch ästhetische Ideen, welche von Vernunftideen bestimmter Zwecke wesentlich unterschieden sind, ihre Regel bekomme.

So wie die Idealität der Gegenstände der Sinne als Erscheinungen die einzige Art ist, die Möglichkeit zu erklären, daß ihre Formen a priori bestimmt werden können ; so ist auch der Idealism der Zweckmäßigkeit, in Beurteilung des Schönen der Natur und der Kunst, die einzige Voraussetzung, unter der allein die Kritik die Möglichkeit eines Geschmacksurteils, welches a priori Gültigkeit für jedermann fordert (ohne doch die Zweckmäßigkeit, die am Objekte vorgestellt wird, auf Begriffe zu gründen), erklären kann.

§59. Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit

Die Realität unserer Begriffe darzutun, werden immer Anschauungen erfordert. Sind es empirische Begriffe, so heißen die letzteren Beispiele. Sind jene reine Verstandesbegriffe, so werden die letzteren Schemate genannt. Verlangt man gar, daß die objektive Realität der Vernunftbegriffe, d. i. der Ideen, und zwar zum Behuf des theoretischen Erkenntnisses derselben dargetan werde, so begehrt man etwas Unmögliches, weil ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann.

Alle Hypotypose (Darstellung, subiectio sub adspectum) als Versinnlichung, ist zwiefach : entweder schematisch, da einem Begriffe, den der Verstand faßt, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird ; oder symbolisch, da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das Verfahren der Urteilskraft demjenigen, was sie im Schematisieren beobachtet, bloß analogisch ist, d. i. mit ihm bloß der Regel dieses Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin bloß der Form der Reflexion, nicht dem Inhalte nach, übereinkommt.

Es ist ein von den neuern Logikern zwar angenommener, aber sinnverkehrender, unrechter Gebrauch des Worts symbolisch, wenn man es der intuitiven Vorstellungsart entgegensetzt ; denn die symbolische ist nur eine Art der intuitiven. Die letztere (die intuitive) kann nämlich in die schematische und in die symbolische Vorstellungsart eingeteilt werden. Beide sind Hypotyposen, d. i. Darstellungen (exhibitiones) : nicht bloße Charakterismen, d. i. Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar nichts zu der Anschauung des Objekts Gehöriges enthalten, sondern nur jenen, nach dem Gesetze der Assoziation der Einbildungskraft, mithin in subjektiver Absicht, zum Mittel der Reproduktion dienen ; dergleichen sind entweder Worte, oder sichtbare (algebraische, selbst mimische) Zeichen, als bloße Ausdrücke für Begriffe.*

* Das Intuitive der Erkenntnis muß dem Diskursiven (nicht dem Symbolischen) entgegengesetzt werden. Das erstere ist nun entweder schematisch, durch Demonstration ; oder symbolisch, als Vorstellung nach einer bloßen Analogie.

Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder Schemate oder Symbole, wovon die erstern direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten. Die erstern tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschäft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion über jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden. So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Körper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmühle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fällen aber nur symbolisch vorgestellt. Denn, zwischen einem despotischen Staate und einer Handmühle ist zwar keine ähnlichkeit, wohl aber zwischen den Regeln, über beide und ihre Kausalität zu reflektieren. Dies Geschäft ist bis jetzt noch wenig auseinandergesetzt worden, so sehr es auch eine tiefere Untersuchung verdient ; allein hier ist nicht der Ort, sich dabei aufzuhalten. Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen, nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema für den Begriff, sondern bloß ein Symbol für die Reflexion enthält. So sind die Wörter Grund (Stütze, Basis), abhängen (von oben gehalten werden), woraus fließen (statt folgen), Substanz (wie Locke sich ausdrückt : der Träger der Akzidenzen), und unzählige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen, und Ausdrücke für Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d. i. der übertragung der Reflexion über einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm für uns und den zweckmäßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist) : so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch ; und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille, usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realität beweisen, für schematisch nimmt, gerät in den Anthropomorphism, so wie, wenn er alles Intuitive wegläßt, in den Deism, wodurch überall nichts, auch nicht in praktischer Absicht, erkannt wird.

Nun sage ich : das Schöne ist das Symbol des Sittlich-Guten ; und auch nur in dieser Rücksicht (einer Beziehung, die jedermann natürlich ist, und die auch jedermann andern als Pflicht zumutet) gefällt es, mit einem Anspruche auf jedes andern Beistimmung, wobei sich das Gemüt zugleich einer gewissen Veredlung und Erhebung über die bloße Empfänglichkeit einer Lust durch Sinneneindrücke bewußt ist, und anderer Wert auch nach einer ähnlichen Maxime ihrer Urteilskraft schätzet. Das ist das Intelligibele, worauf, wie der vorige Paragraph Anzeige tat, der Geschmack hinaussieht, wozu nämlich selbst unsere oberen Erkenntnisvermögen zusammenstimmen, und ohne welches zwischen ihrer Natur, verglichen mit den Ansprüchen, die der Geschmack macht, lauter Widersprüche erwachsen würden. In diesem Vermögen sieht sich die Urteilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurteilung, einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen : sie gibt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft es in Ansehung des Begehrungsvermögens tut ; und sieht sich, sowohl wegen dieser innern Möglichkeit im Subjekte, als wegen der äußern Möglichkeit einer damit übereinstimmenden Natur, auf etwas im Subjekte selbst und außer ihm, was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grunde der letzteren, nämlich dem übersinnlichen verknüpft ist, bezogen, in welchem das theoretische Vermögen mit dem praktischen auf gemeinschaftliche und unbekannte Art, zur Einheit verbunden wird. Wir wollen einige Stücke dieser Analogie anführen, indem wir zugleich die Verschiedenheit derselben nicht unbemerkt lassen.

1) Das Schöne gefällt unmittelbar (aber nur in der reflektierenden Anschauung, nicht, wie Sittlichkeit, im Begriffe). 2) Es gefällt ohne alles Interesse (das Sittlich-Gute zwar notwendig mit einem Interesse, aber nicht einem solchen, was vor dem Urteile über das Wohlgefallen vorhergeht, verbunden, sondern was dadurch allererst bewirkt wird). 3) Die Freiheit der Einbildungskraft (also der Sinnlichkeit unseres Vermögens) wird in der Beurteilung des Schönen mit der Gesetzmäßigkeit des Verstandes als einstimmig vorgestellt (im moralischen Urteile wird die Freiheit des Willens als Zusammenstimmung des letzteren mit sich selbst nach allgemeinen Vernunftgesetzen gedacht). 4) Das subjektive Prinzip der Beurteilung des Schönen wird als allgemein, d. i. für jedermann gültig, aber durch keinen allgemeinen Begriff kenntlich, vorgestellt (das objektive Prinzip der Moralität wird auch für allgemein, d. i. für alle Subjekte, zugleich auch für alle Handlungen desselben Subjekts, und dabei durch einen allgemeinen Begriff kenntlich, erklärt). Daher ist das moralische Urteil nicht allein bestimmter konstitutiver Prinzipien fähig, sondern ist nur durch Gründung der Maximen auf dieselben und ihre Allgemeinheit möglich.

Die Rücksicht auf diese Analogie ist auch dem gemeinen Verstande gewöhnlich ; und wir benennen schöne Gegenstände der Natur oder der Kunst, oft mit Namen, die eine sittliche Beurteilung zum Grunde zu legen scheinen. Wir nennen Gebäude oder Bäume majestätisch und prächtig, oder Gefilde lachend und fröhlich ; selbst Farben werden unschuldig, bescheiden, zärtlich genannt, weil sie Empfindungen erregen, die etwas mit dem Bewußtsein eines durch moralische Urteile bewirkten Gemütszustandes Analogisches enthalten. Der Geschmack macht gleichsam den übergang vom Sinnenreiz zum habituellen moralischen Interesse, ohne einen zu gewaltsamen Sprung, möglich, indem er die Einbildungskraft auch in ihrer Freiheit als zweckmäßig für den Verstand bestimmbar vorstellt und sogar an Gegenständen der Sinne auch ohne Sinnenreiz ein freies Wohlgefallen finden lehrt.

§60. Anhang. Von der Methodenlehre des Geschmacks

Die Einteilung einer Kritik in Elementarlehre und Methodenlehre, welche vor der Wissenschaft vorhergeht, läßt sich auf die Geschmackskritik nicht anwenden : weil es keine Wissenschaft des Schönen gibt noch geben kann, und das Urteil des Geschmacks nicht durch Prinzipien bestimmbar ist. Denn was das Wissenschaftliche in jeder Kunst anlangt, welches auf Wahrheit in der Darstellung ihres Objekts geht, so ist dieses zwar die unumgängliche Bedingung (conditio sine qua non) der schönen Kunst, aber diese nicht selber. Es gibt also für die schöne Kunst nur eine Manier (modus), nicht Lehrart (methodus). Der Meister muß es vormachen, was und wie es der Schüler zustande bringen soll ; und die allgemeinen Regeln, worunter er zuletzt sein Verfahren bringt, können eher dienen, die Hauptmomente desselben gelegentlich in Erinnerung zu bringen, als sie ihm vorzuschreiben. Hierbei muß dennoch auf ein gewisses Ideal Rücksicht genommen werden, welches die Kunst vor Augen haben muß, ob sie es gleich in ihrer Ausübung nie völlig erreicht. Nur durch die Aufweckung der Einbildungskraft des Schülers zur Angemessenheit mit einem gegebenen Begriffe, durch die angemerkte Unzulänglichkeit des Ausdrucks für die Idee, welche der Begriff selbst nicht erreicht, weil sie ästhetisch ist, und durch scharfe Kritik, kann verhütet werden, daß die Beispiele, die ihm vorgelegt werden, von ihm nicht sofort für Urbilder und etwa keiner noch höhern Norm und eigener Beurteilung unterworfene Muster der Nachahmung gehalten, und so das Genie, mit ihm aber auch die Freiheit der Einbildungskraft selbst in ihrer Gesetzmäßigkeit erstickt werde, ohne welche keine schöne Kunst, selbst nicht einmal ein richtiger sie beurteilender eigener Geschmack, möglich ist.

Die Propädeutik zu aller schönen Kunst, sofern es auf den höchsten Grad ihrer Vollkommenheit angelegt ist, scheint nicht in Vorschriften, sondern in der Kultur der Gemütskräfte durch diejenigen Vorkenntnisse zu liegen, welche man humaniora nennt : vermutlich, weil Humanität einerseits das allgemeine Teilnehmungsgefühl, andererseits das Vermögen sich innigst und allgemein mitteilen zu können bedeutet ; welche Eigenschaften zusammen verbunden, die der Menschheit angemessene Glückseligkeit ausmachen, wodurch sie sich von der tierischen Eingeschränktheit unterscheidet. Das Zeitalter sowohl, als die Völker, in welchen der rege Trieb zur gesetzlichen Geselligkeit, wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines Wesen ausmacht, mit den großen Schwierigkeiten rang, welche die schwere Aufgabe, Freiheit (und also auch Gleichheit) mit einem Zwange (mehr der Achtung und Unterwerfung aus Pflicht, als Furcht) zu vereinigen, umgeben : ein solches Zeitalter und ein solches Volk mußte die Kunst der wechselseitigen Mitteilung der Ideen des ausgebildetesten Teils mit dem roheren, die Abstimmung der Erweiterung und Verfeinerung der ersteren zur natürlichen Einfalt und Originalität des letzteren, und auf diese Art dasjenige Mittel zwischen der höheren Kultur und der genügsamen Natur zuerst erfinden, welches den richtigen, nach keinen allgemeinen Regeln anzugebenden Maßstab auch für den Geschmack, als allgemeinen Menschensinn, ausmacht.

Schwerlich wird ein späteres Zeitalter jene Muster entbehrlich machen : weil es der Natur immer weniger nahe sein wird, und sich zuletzt, ohne bleibende Beispiele von ihr zu haben, kaum einen Begriff von der glücklichen Vereinigung des gesetzlichen Zwanges der höchsten Kultur mit der Kraft und Richtigkeit der ihren eigenen Wert fühlenden freien Natur in einem und demselben Volke zu machen imstande sein möchte.

Da aber der Geschmack im Grunde ein Beurteilungsvermögen der Versinnlichung sittlicher Ideen (vermittelst einer gewissen Analogie der Reflexion über beide) ist, wovon auch, und von der darauf zu gründenden größeren Empfänglichkeit für das Gefühl aus den letzteren (welches das moralische heißt) diejenige Lust sich ableitet, welche der Geschmack, als für die Menschheit überhaupt, nicht bloß für eines jeden Privatgefühl, gültig erklärt : so leuchtet ein, daß die wahre Propädeutik zur Gründung des Geschmacks die Entwicklung sittlicher Ideen und die Kultur des moralischen Gefühls sei ; da, nur wenn mit diesem die Sinnlichkeit in Einstimmung gebracht wird, der echte Geschmack eine bestimmte unveränderliche Form annehmen kann.